Das Wasserstoff-Effusionsglühen, oder auch Wasserstoffarmglühen genannt, ist ein Teilverfahren der Wärmebehandlung von Stählen, welches auf die Beseitigung oder zumindest Verminderung einer „Wasserstoffversprödung“ in Bauteilen aus Stahl zielt. Unter der Wasserstoffversprödung versteht man allgemein die (negative) Änderung der Sprödigkeit, die durch das Eindringen und die Einlagerung in ein Metallgitter verursacht wird. Man bezeichnet diesen Vorgang häufig auch als kathodisch-induzierte „Spannungsrisskorrosion“, der durch das Auftreten der drei maßgeblichen Elemente wie Elektrolyte, mechanische Spannungen und Rissbildungen beschleunigt wird.
Bei einer Wasserstoffversprödung hingegen wird zunächst atomarer Wasserstoff im metallischen Kristallgitter erzeugt. Dieser Prozess kann durch eine Kathodenreaktion eines Korrosionsgeschehens erfolgen, jedoch auch durch viele andere technische Prozesse, bei denen ebenfalls atomarer Wasserstoff entsteht und in den Werkstoff eindiffundiert und zu inneren Spannungen und somit zur Rissbildung entlang den Korngrenzen führt.
Die Aufnahme des Wasserstoffs erfolgt auf technischem Wege in der Regel beim Erschmelzen, Schweißen, Galvanisieren, Beizen u. a. oder im späteren Betrieb des Bauteils durch Korrosion und kathodischen Teilreaktionen. Selbst in gelöster atomarer Form kann der Wasserstoff die Bindungskräfte im Metallgitter schwächen, mit Wirkung auf dortige Fehlstellen und entlang den Korngrenzen, die dann regelmäßig bei Überschreitung einer kritischen Zugspannung zu „interkristallinen Brüchen“ führen. Als Faustregel wird beschrieben, dass die Zugfestigkeit (Rm) bei mehr als 1 ppm gelösten Wasserstoff sich bereits auf die kritische Zugspannung von 80 % des ursprünglichen Rm reduziert.
Festzuhalten ist auch, wenn bereits durch die Wasserstoffdiffusion Korngrenzenrisse vorliegen, so ist die Wasserstoffversprödung derart fortgeschritten, dass der Werkstoff oder das Bauteil unwiderruflich geschädigt sind. Solange aber sich der Wasserstoff in atomarer Form im kristallinen Metallgitter befindet, besteht die Möglichkeit, ihn durch geeignete Wärmebehandlungen wieder auszutreiben. Es gibt je nach Werkstoff verschiedene Wärmebehandlungsmethoden, um eine Wasserstoffversprödung durch das Austreiben von Wasserstoff (Effusion) zu vermeiden. Im Allgemeinen geschieht das Wasserstoff-Effusionsglühen durch eine mehrstündige Wärmehandlung im Bereich von 250 °C bis 300 °C. Allerdings führen wir in unserem Unternehmen für unsere Kunden auch H2-Effusions-Glühungen bei höheren Temperaturen (über 700 °C) durch, wo das Material mehrere Stunden bei dieser Temperatur gehalten wird und die Abkühlung zuerst im Ofen und danach an ruhender Luft erfolgt. Es handelt sich dabei meist um warmfeste Werkstoffe in Form von Stranggussprodukten. Ziel ist es, einen möglichst geringen Wasserstoffgehalt von zum Beispiel < 2 ppm nach dem Glühen zu erreichen. Wichtige Besonderheit dieses Glühprozesses mit der thermischen Effusion (Beseitigung oder Reduzierung) des Wasserstoffes ist, dass die Prozesskette zwischen dem Gießprozess und der anschließenden Wärmebehandlung so kurz wie möglich gehalten wird, damit durch die Lagerung des Materials nicht noch zusätzlich H2 in den sensitiven Werkstoff eindiffundiert und die Ausgangsvoraussetzung für eine thermische Umwandlung sich somit deutlich erschwert.